Smarte Bildung in Informationskollektiven – Regulierungsansätze und Datenschutzkompetenzen im Internet der Dinge

Fabian Pittroff Dr. Andreas D. Schulz
Fabian Pittroff
Dr. Andreas D. Schulz

 Abstract:

Das Internet der Dinge (IoT) steht für die Verbreitung digital-vernetzter Alltagsgegenstände in der Wohnung, im Auto oder am Körper. Infolge etablieren sich immer mehr Umgebungen, in denen personenbezogene Daten automatisiert und unbemerkt gespeichert, ausgewertet und an Dritte übermittelt werden. Dabei versprechen Anwendungen im IoT proaktiv und intelligent im Hintergrund zu wirken, sind aber deshalb auch in unreflektierte Routinen eingebunden, die wenig Raum lassen für die Information oder Aufklärung der Nutzer*innen. Für Bildungsinstitutionen stellt sich so die Frage, wie Nutzer*innen angemessen über Datenprozesse informiert werden können, ohne dabei über- oder unterfordert zu werden. Da sich parallel zu den technischen Bedingungen auch Privatheits- und Kommunikationspraktiken verändern, können solche Fragen jedoch nicht nur durch individuelle Aufklärung oder paternalistische Regulierung beantwortet werden.

Erstens werden wir in unserem Beitrag einen soziologischen Problemaufriss präsentieren. Dafür stellen wir einen Überblick über unterschiedliche Ansätze der Information und Regulierung vor und zeigen ein Schema, das die diversen Ansätze vergleichbar macht und auf weniger genutzte Potenziale verweist. So zeigt sich etwa am Beispiel Fitness-Tracking (als einer konkreten Anwendung im IoT), wie multiple soziale Anforderungen in einer Praxis verschränkt sind und inwiefern aufklärerische oder paternalistische Ansätze zu kurz greifen könne. Unsere Lösungsvorschläge gehen von einem Perspektivenwechsel aus: statt sich auf Modelle besserer Nutzer*inneninformation zu beschränken, schlagen wir vor, Informationskollektive in den Blick zu nehmen, in denen nicht nur Nutzer*innen informiert werden, sondern auch Organisationen und Unternehmen. Denkbar sind partizipative Ansätze, die Lernende als Expert*innen für ihre digitalen Praktiken in die Suche nach einer kollektiven Problemdefinition einbeziehen. Aber auch Ansätze der Delegation sollten in Betracht gezogen werden, die vertrauenswürdigen Institutionen oder Professionen an einer Lösung beteiligen.

Zweitens werden wir einen pädagogischen Ansatz vorstellen, der auf der Idee einer Datenschutzkompetenz beruht. Bisherige medienpädagogische Konzepte konzentrieren sich u.E. noch zu sehr auf eine informationstechnische Aufklärung und die Möglichkeiten und Grenzen des Mediensystems. Während Nutzer*innen mit Hilfe von Einstellungen bei Internetanwendungen und an Smartphones noch in begrenztem Umfang Einfluss auf den Zugriff auf ihre personenbezogenen Daten haben, fehlt beim IoT häufig das entsprechende Interface, eine permanente Kontrolle behindert die Nutzung der Geräte und nicht zuletzt haben Dritte einen neuen, sehr weitgehenden Zugriff auf die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten der Nutzer*innen. Daher eignen sich Konzepte eher, die die Kompetenz der Nutzer*innen im Umgang mit den Geräten erhöhen, so dass erworbene Fähigkeiten des Datenschutzes nicht mit jeder neuen Anwendung oder neuem Gerät erneut erlernt werden müssen. Dieser „Werkzeugkasten“ enthält mehrere Kompetenzen und ist universell nutzbar. Datenschutzkompetenzen enthalten einen Mix aus analytischen, beurteilenden und handlungsorientierten Fähigkeiten im Umgang mit dem IoT. Nutzer*innen sind in diesem Konzept einerseits aufgeklärter in Hinblick auf ihre Datenschutzrechte, wägen die Nutzung bestimmter Geräte und den Umgang mit personenbezogenen Daten hinsichtlich eigener ethischer Kriterien eher ab, können aber ihre Interessen auch intermediären politischen Institutionen anvertrauen. Datenschutzkompetenzen ermöglichen zudem auch die Minderung digitaler Ungleichheiten, in dem „schwache“ Personengruppen zieladäquate Fähigkeiten erlangen können.

Kurz-Vitae:

Fabian Pittroff  forscht an der Universität Kassel am Fachgebiet Soziologische Theorie zu Kontroversen um die Zukunft der Privatheit und zum Internet der Dinge. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit Personalität, Selbsttechnologien und der Postprivacy-Bewegung.

Dr. Andreas D. Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Smart Environment, Smart Information? (SEnSI) Information und Auskunft über personenbezogene Datenverarbeitung im Internet der Dinge“ im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Universität Kassel. Außerdem ist er seit mehreren Jahren als Lehrer für Politik/Wirtschaft, Geschichte und Deutsch an verschiedenen Gymnasien tätig. Dr. Schulz studierte Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz und arbeitete danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter in mehreren Forschungsprojekten an den Universitäten Frankfurt/M., Gießen, Wien und Kassel. Seine Forschungsinteressen umfassen den Wohlfahrtsstaat, soziale Ungleichheiten, den Dritten Sektor sowie die Medienkompetenz und den Datenschutz.

Kontakt:

Fabian Pittroff, Dipl. Pol. / M.A.

Universität Kassel
Fachgebiet Soziologische Theorie
BMJV-Projekt „Smart Environment, Smart Information?“ (SEnSI)

Nora-Platiel-Straße 5
34109 Kassel

0561 804 7259
pittroff@uni-kassel.de
https://www.uni-kassel.de/fb05/fachgruppen/soziologie/soziologische-theorie/team/fabian-pittroff-dipl-pol-ma.html

Dr. Andreas D. Schulz

Universität Kassel
Fachgebiet Soziologische Theorie
BMJV-Projekt „Smart Environment, Smart Information?“ (SEnSI)

Nora-Platiel-Straße 5
34109 Kassel

0561 804 7536
adschulz@uni-kassel.de
https://www.uni-kassel.de/fb05/fachgruppen/soziologie/soziologische-theorie/team/dr-andreas-d-schulz.html